Lee acá (en alemán) el reportaje aparecido en el Cóndor a nuestro socio Piolet de Oro Enrique Schneider
Enrique Schneider – Eine Seele von Bergsteiger
Für seine 60-jährige Mitgliedschaft im Deutschen Andenverein (DAV) Santiago bekam Enrique Schneider auf der diesjährigen Hauptversammlung die Ehrenmedaille «Eispickel in Gold» verliehen. Der leidenschaftliche Bergsteiger erklomm in den Anden einige Gipfel als Erster.
So zum Beispiel den 4.890 Meter hohen Torre de Flores in der VI. Region. Seinen Namen verdankt der «Turm der Blumen» einem Gebirgsfluss in einem angrenzenden Tal, das im Frühjahr farbenprächtig erblüht. Dorthin, von der Stadt Rancagua aus kommend, hatte sich Anfang Dezember 1953 eine kleine Gruppe vom Deutschen Andenverein Santiago aufgemacht: Eberhard Meier, Wilhelm Niehaus, Hinrich Schlotfeldt und der damals 19-jährige Enrique Schneider.
Der Aufstieg gestaltet sich alles andere als leicht. Mehrere Versuche anderer Expeditionen in den 50er-Jahren scheiterten, und auch vor ein paar Jahren verweigerte der Gipfel einer DAV-Gruppe den Zugang. Doch in jenen Dezembertagen glückte das Vorhaben. «Der letzte Teil war schwierig, es existierte damals ja noch kein Weg dort rauf.»
Es sollte nicht die letzte Erstbesteigung von Enrique Schneider sein. Im darauffolgenden Jahr erklomm er gemeinsam mit Eberhard Meier und Hinrich Schlotfeldt den auf der Grenze zu Argentinien gelegenen, 6.000 Meter hohen Nevado de Piuquenes erstmals von chilenischer Seite aus. Ebenfalls in der Zentralzone der Anden liegt ganz in der Nähe der Berg Tupungatito. Auch dort kraxelte Enrique Schneider sowie eine ganze Reihe weiterer 5.000er hinauf.
Im Jahr 1962 gelang gemeinsam mit Wolfgang Förster die Erstbesteigung eines unbekannten Berges, der sich vor dem Gipfel Punta Hohf erhebt und den sie schließlich auf den Namen Cerro Mirador del Yeso tauften. Andere «Premieren» waren das erstmalige Erreichen der Lagunita de los Cristales zusammen mit Franz Oestermer sowie des Nordgipfels der Loma Amarilla.
«Ich habe das Bergsteigen immer in meiner Seele gehabt», erklärt Enrique Schneider heute rückblickend auf diese Erfolge. Sich dabei in eine besonders hohe Gefahr begeben zu haben, streitet Enrique Schneider nach kurzem Überlegen ab. «Natürlich bin ich manchmal in eine Situation geraten, in der mir die Spucke wegblieb. Doch dann muss man die Technik beherrschen, um da wieder herauszukommen.» Umsichtiges Vorgehen sei in den Bergen ohnehin ein Muss.
Zahnarzt-Antiquitäten
Der Sohn eines deutschen Vaters aus Duisburg und einer chilenischen Mutter schweizerischer Abstammung wurde 1932 in Santiago geboren. Schon als Kind lernte Enrique Schneider das Wandern kennen und lieben. Die Mutter war Sportlehrerin, der Vater nahm den Kleinen oft mit zu Touren auf dem Cerro San Cristóbal in Santiago sowie auf die deutsche Berghütte Lo Valdés im Cajón de Maipo.
Enrique Schneider spricht noch heute fließend deutsch, denn beide Elternteile pflegten diese Sprache zu Hause. Zudem besuchte ihr Schützling das Liceo Alemán del Verbo Divino, dessen Lehrer alles deutsche Pfarrer waren.
Nach der Schulzeit studierte Enrique Schneider fünf Jahre lang Zahnmedizin an der Universidad de Chile und eröffnete im Anschluss seine eigene Zahnarztpraxis. Zudem war der Zahnarzt 30 Jahre lang bis zu seiner Rente innerhalb des öffentlichen Gesundheitswesens in der Notfallpraxis «Dr. Alejandro del Río» tätig. «Die Schichtarbeit war manchmal hart, aber auch sehr interessant. Ich habe dabei viele Erfahrungen gesammelt.»
Normalerweise verbinden viele Menschen nicht gerade die angenehmsten Gedanken mit einem Zahnarztbesuch. Doch Enrique Schneider kann dem Ganzen sogar noch eine kulturelle Note abgewinnen: In seiner Wohnung stehen alte Zahnbohrmaschinen von anno dazumal, die noch per Fußbewegung über einen Keilriemen angetrieben wurden. Sogar ein Zahnarztstuhl aus dem Jahr 1895 steht in seinem Wohnzimmer. Hinzu kommen kunstvolle Schnitzarbeiten, Holzfiguren und Tischverzierungen, alle entstanden aus der Handwerkskunst des ehemaligen Zahnarztes. «Schleifen, fräsen und filigrane Formen herzustellen gehörte damals zur Ausbildung dazu.»
Parkinson-Krankheit
Sowohl fürs Bergsteigen als auch für feine Holzarbeiten benötigt der Mensch Muskelbewegungen und deren aufeinander abgestimmte Koordination. Letztere geht Enrique Schneider langsam aber sicher verloren. Er leidet unter der Parkinson-Krankheit. Das Absterben von Nervenzellen wurde bei ihm schon vor 20 Jahren festgestellt, «normalerweise dauert der Krankheitsverlauf nur sechs bis Jahre – dann ist man erledigt. Bisher läuft es also ganz gut für mich».
Dennoch: Muskelstarre, Zittern und Bewegungseinschränkungen erlauben es Enrique Schneider nicht mehr, ein Auto zu lenken, Ski zu fahren oder aber, was am schlimmsten ist, in die geliebten Berge zu steigen. «Als ich 70 Jahre alt war, konnte ich noch auf 5.000er gehen. Bis vor vier Jahren war ich sogar noch in La Parva Skifahren. Das ist jetzt unmöglich, die Bewegungsfreiheit wird nach und nach weniger», erklärt der 79-Jährige. Und so geht Enrique Schneider dorthin, wo er schon als Kind viel gelaufen ist: zum Cerro San Cristóbal.
Zwar ist Enrique Schneider traurig darüber, dass er lange Ausflüge in die Berge nicht mehr unternehmen kann. Doch dank seiner langjährigen Erfahrung ist er ohnehin zu einer tröstlichen Überzeugung gekommen, gewürzt mit einer Priese gesunder Bescheidenheit: «Es gibt Berge für alle Ansprüche. Und das ist das Schöne: Es ist für jeden etwas dabei. Ich genieße meine Spaziergänge auf dem Cerro San Cristóbal.»
Und praktisch eine Art Pflichtprogramm sind die Besuche immer donnerstagabends im DAV-Gebäude in Providencia, wo sich die Mitglieder treffen, um Ausflüge zu planen, über erlebte Touren plaudern, sich an der Kletterwand probieren und gesellig beisammen sind. «Wenn alte Leute so wie ich alleine leben, stellt Freizeit ein großes Problem dar. Man sollte Hobbys und Interessen haben, Kontakte pflegen und nicht erlauben, dass das Leben einfach so durch einen hindurch geht.»
Berg-Pioniere
Enrique Schneider hat drei Söhne, Juan ist bereits 46 und Pablo 40 Jahre alt, verheiratet, beide leben in Kanada. Der dritte Nachwuchs José ist 26 Jahre alt, besuchte die Thomas-Morus-Schule und studiert derzeit in Santiago. «Alle drei sind gute Skifahrer», sagt Enrique Schneider – ob sie genauso gute Bergsteiger wie der Vater sind, lässt er offen.
«Es war damals sicherlich anders. Viele Gegenden in den Anden galten als unbekannt. Pioniere wie Eberhard Meier und Wolfgang Förster haben sehr viel erforschen müssen, um überhaupt auf einen Gipfel zu gelangen.» Auch die Ausrüstung wie Stiefel, Kleidung, Eispickel und Steigeisen erreichte längst nicht die Qualität von heute. «Kletterseile hatten den Nachteil, dass sie bei Kälte vereisten. Die Sachen waren zudem teuer, nicht jeder konnte sich das leisten.» Bisweilen mussten sich die besagten Pioniere mit Notlösungen behelfen. Bei den ersten Skitouren wurden Seile um die Bretter gewickelt, um beim Aufstieg ein Zurückrutschen auf der Schneefläche zu verhindern.
Während seiner aktiven Zeit beim DAV Santiago war Enrique Schneider zudem Hüttenwart von Los Azules und Farellones, zwei Unterkünften in den Bergen, zu denen das Brennholz nach oben geschafft werden musste. Das Refugio Los Azules hinter dem Berg San Ramón existiert nicht mehr, Farellones im gleichnamigen Skigebiet wird heute per Konzession betrieben.
Jüngstes Projekt für den DAV, an dem sich Enrique Schneider gemeinsam mit dem Vereinsmitglied Klaus Teschner und dem mittlerweile verstorbenen Sergio Kunstmann beteiligt hat, war das Digitalisieren von historischen Aufnahmen bei rund 30 Expeditionen. Dass er nun für sein langjähriges Engagement beim Andenverein mit dem «Eispickel in Gold» ausgezeichnet wurde, erfüllt ihn daher mit Stolz. Diese Anerkennung durch den Vorstand sei völlig unerwartet gekommen, erklärt freudig Enrique Schneider, dem die Berge und der DAV so viel bedeuten.
Arne Dettmann